Im Laufe der nun bald 50 Jahre sind uns in Reiterkreisen einige Begriffsverwirrungen und sogar ebenso viele Irrtümer zu dem heute praktizierten Reiten begegnet. Dazu zählt auch schon der eher banale Suchbegriff von Interessierten am gebisslosen Reiten, wie z.B. der verwendete Begriff „Gebisslose Trense“.
Ebenfalls Begrifflichkeiten und Feststellungen aus dem praktizierten Umgang mit Pferden in der Reiterei. Die da wären, das viel gelobte und immer wieder falsch verstandene: „Vorwärts – Abwärts“.
Oder aber die Behauptung das Pferd muß kauen – weshalb eine sogenannte „Gebisslose Trense“ also das „Gebisslos Reiten“ sozusagen dann ausgeschlossen erscheinen soll, da nur ein auf einem Gebiss kauendes Pferd konzentriert bei der Sache sei und entspannt geritten werden könne. Siehe hierzu unseren Videobeitrag.
Oder auch das sogenannte „Umstellen“ von dem mit Gebiss gerittenen Pferd auf das gebisslose Reiten mit sogenannten Gebisslosen Trensen. Siehe zu „Umstellung“ unseren Video-Stellungnahme.
Zu den genannten Themen, möchten wir nun hier möglichst kurz Stellung beziehen.
Zu dem Begriff „Gebisslose Trense“ führt alleine nur schon Wikipedia sehr treffend aus: „Eine Trense ist Bestandteil des Zaumzeugs für Pferde. Sie (*also die Trense) ist ein Mundstück mit Ringen an jeder Seite zum Einschnallen der Zügel. Umgangssprachlich wird in Deutschland oft der gesamte Kopfteil einer Trensenzäumung als Trense bezeichnet.“ Dem haben wir nicht viel hinzuzufügen, außer, daß also der Begriff „Gebisslose Trense“ nicht einmal zu vergleichen wäre mit der belächelten Beschreibung eines schwarzen Pferdes als „schwarzer Rappe“, sondern eher „daher kommt“ wie ein „schwarzer Fuchs“… ein Fauxpas also.
Ebenso kurios geht es weiter, mit Begrifflichkeiten, die aber leider auch mit Inbrunst und zumeist weit über das vernünftige Maß, dann nämlich zum Nachteil der Pferde allerorts praktiziert werden. Heute das in Reiterkreisen viel gelobte und geradezu vergötterte „Vorwärts – Abwärts“.
Denn hier gilt, wie in allen Bereichen im Leben, übertreibt man Gutes, so wird es mitunter sogar sehr schlecht, oder die Dosis macht das Gift.
Das Verständnis vom „Vorwärts-Abwärts“ wurde aus dem Zusammenhang gerissen.
Zitat Monika Lehmenkühler © : „Wenn ich in die meisten Reithallen und auf Reitplätze schaue, kann ich mir oft die Frage nicht verkneifen: Vor wem seit ihr denn auf der Flucht? Ist der Teufel höchstpersönlich hinter euch her? Oder habt ihr noch einen wichtigen Termin und seit spät dran? Oder warum habt ihr es so eilig?“ Neben fragenden und verwirrten Blicken, kommen aber auch schon einmal Antworten wie: Der Zossen muß vorwärts, damit die Hinterhand aktiver wird … oder zum Lösen reite ich immer VORWÄRTS-Abwärts … oder mein Reitlehrer sagt ich muß mehr vorwärts reiten, damit die Hinterhand zum tragen kommt.“
Die heilige Kuh, möchte man fast sagen und noch dazu das falsch interpretierte „Vorwärts-Abwärts“
Aus „Der Reiter formt das Pferd“ von Udo Bürger – Otto Zietzschmann: „Es ist eine weit verbreitet Irrlehre, daß die Hinterhand zum vermehrten Untertreten angehalten werden soll, damit die empfindlichere Vorhand entlastet wird.“
Was für ein Wahnsinn! Neben der Tatsache, das der Begriff „Vorwärts-Abwärts“ einmal geprägt wurde, um lediglich die Stellung von Hals, Kopf und Nase zu beschreiben und keinesfalls das erhöhte Tempo meinte, welches das Pferd sogar sozusagen aus rein anatomischer Sicht mit der Vorhand in den Boden rammt. Lediglich zum Lösen galt einmal, die Nase vorwärts (also deutlich vor die Senkrechte der Stirn) und den Hals tendenziell – und der jeweiligen Anatomie des Pferdes entsprechend – abwärts.
Sehr wichtig und heute viel zu oft vergessen, gilt: Der Reiter eines Pferdes hat – auch mit einer sogenannten gebisslosen Trense – die Tragkraft zu fördern und nicht so sehr die Schubkraft, die das Pferd von Natur aus ja bereits mitbringt. Bedenke: Der lange Rückenmuskel z.B. ist ein ausgesprochener Bewegungsmuskel, dessen Tätigkeit ausschließlich der Fortbewegung dient und eben nicht dem Tragen von Gewicht! Um diesen entsprechend für diese Belastung umzufunktionieren, wurde die „Dressur“ entwickelt. Die Dressur ist für das Pferd gemacht und nicht das Pferd für die Dressur! Ein Leitspruch, der heutzutage leider in Vergessenheit geraten ist! Auch nicht zu vergessen: All dies, was die Hinterhand durch übertriebenes, forciertes Tempo schieben muß, muß von der, von Natur aus schwächeren Vorhand der Pferde, aufgefangen werden. Gleichwohl stützen sich viele Pferde dabei zusätzlich nur all zu gerne oder sogar vielmehr verzweifelt auf die Hand des Reiters und damit auf das immer noch viel zu häufig verwendete Gebiss aber eben auch auf eine sogenannte gebisslose Trense, einen gebisslosen Zaum. Dies ist tatsächlich anatomisch bedingt, was den heutigen Reiter wiederum veranlaßt noch mehr zu treiben, um damit noch mehr vorwärts zu fordern, um vermeintlich die Vorhand zu entlasten, ein Teufelskreis!
Das Gift, welches echte Reitkunst vergiftet
Geradeaus und VORWÄRTS ist sozusagen das Gift, welches echte Reitkunst vergiftet und zunichte macht, denn es fordert und fördert vorzüglich die Schubkraft der Hinterhand und eben gerade NICHT deren Tragkraft. Dies ist wohl auch der Grund, warum die alten Meister der Reitkunst in der Bahn nicht einmal im sogenannten „Arbeitstempo“ eine gezielte Gymnastik mit dem Pferd verrichteten. Wie es aus guter Literatur zu entnehmen ist, ritten diese nämlich sogar noch weit unter dem heute beschriebenen Arbeitstempo, um ihre Pferde möglichst lange dadurch gesund zu erhalten, da die Hinterhand nämlich nur durch gezielte Lektionen zum Treten unter den Schwerpunkt (Tragkraft) veranlaßt wird. Sicherlich, wenig spricht dagegen und es ist auch in einem angemessenen, dezenten Maße förderlich, hier und da das Tempo für kurze Reprisen bewußt zu steigern, allerdings unter der Prämisse und ähnlich dem Vorgehen bei Übergängen von z.B. dem Trab in den Schritt und wieder in den Trab, um damit die Hinterhand zur Gewichtsaufnahme anzuregen und damit die Vorhand zu entlasten. Gezielte und nicht maßlos übertriebene Dehnungsübungen, kurzzeitige Tempounterschiede auch zum Lockern der Pferde sind eines, allerdings machen lang andauernde gerade Strecken in einem forcierten Tempo, die Pferde nur lang, triebig, zäh und frustriert, mit Recht! Zudem erhöht dieses Vorgehen den eh schon durch das Reiten potenzierten Verschleiß der Vorhand, die ja durch den tendenziell Richtung Vorhand sitzenden Reiter zusätzlich, bedeutend mehr als beim sich frei bewegenden Pferd, in Anspruch genommen wird.
Hier einmal einige kurze Zitate aus DIE REITKUNST IM SPIEGEL IHRER MEISTER von Bertold Schirg hier V. Krane Seite 295: „ […] Ist es ein Resultat der vermehrten Geschwindigkeit und nicht der größeren Weite des Trittes, so ist nichts gewonnen. Dieses Vorgehen wird bald das Tier zu schanden machen […] Wenn die Vorderbeine auch mehr zum Stützen als zum Schieben und Schwingen bestimmt scheinen, und sie gegen die Hinterhand, namentlich in Bezug auf die letztere Funktion sehr im Nachteil stehen, indem sie die Last nie los werden […]“ und O.M. Stensbeck Seite 178 […] Den Hals lang machen! So hört man immer sprechen. Doch es darf kein Gemeinplatz werden, auf dem man herumreitet, ohne nachzudenken […] Vicomte d´Aure beschreibt Seite 413 […] Zusammenfassend ist zu sagen, daß der Reiter so einzuwirken habe, daß die schwache Partien erleichtert, gymnastiziert werden müssen, indem die kräftigsten Teile den Überschuß an Gewicht zu tragen hätten, welche die schwächeren Teile nicht ohne Schaden zu tragen vermögen.“
Ach und am Schluß dieses Beitrages zur Gebisslosen Trense…
…sei noch kurz erwähnt, daß all dies natürlich auch mit einer „Gebisslosen Trense“ – um den so oft fälschlich verwendeten Begriff hier ausgangs nochmal zu benutzen – möglich ist. Also ebenso gut gebisslos realisierbar ist, wenn nicht sogar deutlich besser, weil entspannter! Allerdings trifft dies gewiß nicht unbedingt auf jede gebisslose Trense, sprich auf jeden gebisslosen Zaum zu. Genau das sollte aus dem zuvor Beschriebenen deutlich hervor gehen, daß nämlich die Lektionen eine gesunde Haltung (genannt, das an den Zügel gehen) beim Pferd bewirken und eben NICHT das Equipment, wie eine Trense (hiermit ist, wie wir jetzt wissen, das Gebiss gemeint). Ein korrekt an den „Hilfen“ stehendes Pferd tut dies freiwillig, weil es begriffen hat, daß ihm diese Haltung das Tragen des Reiters immens erleichtert. Wird diese Beizäumung jedoch durch Zwang und Schmerz erzeugt, bleibt nicht nur ein echter Lerneffekt aus, schlimmer sogar, es wird ihm schaden und das Pferd wird bei jeder Gelegenheit versuchen, sich aus dieser erzwungenen Haltung zu befreien! Dies wird nachvollziehbar und unzweifelhaft auf Dauer sogar zu schweren gesundheitlichen Problemen führen.
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